Seit einiger Zeit mischen sich bestimmte radikale Positionen immer dann ein, wenn es um Geschlechterdiskussionen im Internet geht. Sie greifen pauschal „den Feminismus“ an und verhindern mit verschiedenen Strategien ernsthafte Dialoge. Hinrich Rosenbrock hat sich umfassend mit diesem Phänomen beschäftigt und seine Forschungen und Überlegungen zum Thema in der Studie „Die antifeministische Männerrechtsbewegung – Denkweisen, Netzwerke und Onlinemobilisierung“ dargelegt.
Am 21. Mai stellte Hinrich Rosenbrock seine Studie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena vor. Daran schloss sich eine Diskussionsrunde mit Hans-Joachim Lenz (Gender Diversity – Fachverband für gender-kompetente Bildung und Beratung) und Marc Gärtner (Dissens e.V.) an. Veranstalter waren die Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen und das Gleichstellungsreferat des Studierendenrates der FSU Jena.
Wer sind sie, die Antifeministen, die so ein starres Bild vom Feminismus verbreiten, die sich selbst als Opfer der Frauen darstellen, die Hetzkampagnen anzetteln und offensichtlich versuchen, Angst zu verbreiten? „In Deutschland handelt es sich um einige Hundert Personen, über 90% davon sind Männer“, klärte Hinrich Rosenbrock auf. Eine so kleine Gruppe also? Schon, sie seien die absolute Minderheit, aber möglicherweise vertreten sie eine Mehrheit, meinte Rosenbrock. Festzustellen ist, dass es sich bei den Antifeministen um eine ziemlich heterogene Gruppe handelt, deren gesellschaftspolitische Orientierungen folgende sind: antistatistisch neoliberal, sozialdemokratisch, konservativ, rechtskirchlich (evangelikal), rechtspopulistisch (neu-rechts) oder extrem rechts. Dabei überwiegen offensichtlich rechte Denkweisen. Das bestätigt auch, dass es Anleihen bei Strategien und teilweise Vernetzung mit der Neuen Rechten gibt. „Eine kriegerische weiße Männlichkeit kämpft gegen den Feminismus“, so Rosenbrock. Der Feminismus wird von diesen Personen als sehr homogen betrachtet, er wird allmächtig gemacht. Der Mann werde unterdrückt, die Selbstverwirklichung der Frau lasse die Familie aussterben und irgendwann sterbe die deutsche Bevölkerung aus. Überzeugungen, die sich hier wiederum mit dem Rechten Milieu kreuzen.
Hinrich Rosenbrock wies auf den großen Unterschied zwischen Antifeminismus und Feminismuskritik hin. Ohne das ständige Hinterfragen und Aufdröseln hätte der Feminismus sich nicht weiterentwickelt. Antifeminismus aber verhindert von vornherein jegliche Diskussion – hier sind die Meinungen festgemeißelt. Nicht nur Frauen werden als Feinde betrachtet, sondern auch alle Männer, die keine Antifeministen sind. Vor allem profeministischen Männern werden Menschlichkeit, Männlichkeit und Selbstständigkeit abgesprochen. Hinrich Rosenbrock: „Damit ist diese Gruppe nicht nur frauen-, sondern auch männerfeindlich“. Dass Antifeministen an traditionellen Geschlechtervorstellungen festhalten, dürfte klar sein. Auch diese Debatte werde in (extrem) rechten Kreisen und in der Antifeministen-Bewegung fast gleich geführt, so Rosenbrock. In den Köpfen dieser Menschen existiert ein äußerst eingeschränktes Bild von Männlichkeit: Männer sind entweder Beschützer oder Täter. Das entspricht der historischen Konstruktion von Männlichkeit: auf der einen Seite steht der sozial fremde Täter, auf der anderen Seite der Beschützer. Bis heute bekannt aus Film und Fernsehen. Bei den Antifeministen kommt jedoch noch eine dritte Rolle hinzu: Die des Opfers. Das Opferbild entspricht natürlich nicht dem oben genannten Männerbild. So wird ein einfacher Trick angewandt: um nicht mehr subjektives Opfer sein zu müssen (z.B. nach Trennungen, Scheidungen, etc.), werden alle Männer zu Opfern gemacht. Alle Männer seien in fast allen Lebensbereichen Opfer der Frauen – das ist das Gesellschaftsbild der Antifeministen. Sie drücken es im Internet beispielsweise folgendermaßen aus: „So gesehen sind Männer die Juden in der BRD“. Diese Opferideologie verhindere eine ernsthafte, langjährige Auseinandersetzung mit den echten Problemen der Männer, meinte Hinrich Rosenbrock.
Wie verbreiten Antifeministen ihre Ansichten? Erstens auf Demos. Allerdings bleiben die meist relativ klein (in Berlin gingen gerademal 40 Personen auf die Straße). Zweitens auf Veranstaltungen. Das heikle daran ist, dass diese Veranstaltungen teilweise an renommierten Orten, unter anderem dem Max-Planck-Institut Berlin, stattfinden. Es gibt sogar eine Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung. Drittens findet eine massive Forenintervention, z.B. bei großen Online-Magazinen, statt. Das passiert, indem die Antifeministen nach vorheriger Absprache gemeinsam ins Netz gehen und ihre Meinung unnachgiebig verbreiten. Durch diese Strategie bilden sie die Übermacht in den Foren, wodurch der Eindruck entsteht, ein Großteil der Leserschaft denke so. Das kann dazu führen, dass geschlechterpolitische Themen in Online-Magazinen nicht mehr vorkommen; so bereits bei Spiegel online geschehen. Viertens greifen die Antifeministen Einzelpersonen gezielt an. Das reicht von Beleidigungen und Verleumdungen (z.B. beim Arbeitgeber) über Vergewaltigungs- (bei Frauen und deren Kindern) und Kastrations- (gegen Männer) bis hin zu offenen Morddrohungen. Fünftens existieren Schaltstellen mit Personen in den Medien, die zwar keine Antifeministen, aber durchaus Sympathisanten sind, beispielsweise Matthias Matussek vom Spiegel.
Wenn Antifeministen so radikal vorgehen, so mächtig im Netz sein können, was bleiben dann für Gegenstrategien? Darauf hat Hinrich Rosenbrock klare Antworten: Als Einzelperson kann man Solidarität im Netz mit angegriffenen Personen zeigen, man kann Bedrohungen bekannt machen und man hat die Möglichkeit, juristisch vorzugehen. Zivilgesellschaftlich bestehen die Möglichkeiten der Aufklärung und der geschlechterdemokratischen Bündnisse. Außerdem sollte man die Forenbetreiber in ihre Verantwortung nehmen. Politisch ist es wichtig, bestimmte Ungleichheitslagen zu bekämpfen und die Meinungsfreiheit sowie Persönlichkeitsrechte zu schützen; Stichwort: Was passiert im Netz? Es ist also möglich, zu handeln.
Die Antifeministen nennen sich übrigens selbst „Männerrechtsbewegung“ und springen damit auf ein latentes Ungerechtigkeitsgefühl auf, dass es in der Gesellschaft durchaus gibt. Dieser Meinung ist auch Hans-Joachim Lenz. Er stieg in die Diskussion ein, indem er vor allem das Thema „Gewalt gegen Männer“ in den Blickpunkt rückte. Er wies darauf hin, dass dieses Thema, mit dem er sich gründlich beschäftigt hat, und das Thema der männlichen Verletzbarkeit verleugnet werden. Männer dürfen keine Opfer sein; das vorherrschende Männlichkeitsbild (Täter oder Beschützer) wirke extrem stark. Selbst die Männlichkeitsforschung heute reproduziere dieses Bild. Lenz versuchte, die Ursachen zu klären und spannte einen Bogen zum Männlichkeitsbild im 19. Jahrhundert. Damals sei das dualistische Geschlechterbild – friedfertige Frau vs. aggressiver Mann – aufgekommen. Hans-Joachim Lenz: „Menschen beiderlei Geschlechts sind gleich verletzbar“. Die Wirklichkeit der Geschlechterpolitik sei aber, dass die Schutzwürdigkeit von Frauen und Mädchen ganz stark auf der politischen Agenda stehe im Gegensatz zur männlichen Verletzbarkeit, der lediglich kulturelle Ignoranz entgegenschlage. Lenz betonte: „Jede einzelne Gewaltverletzung, egal, ob Frau, ob Mann, ist eine Gewaltverletzung“. Lenz meint, dass in Rosenbrocks Studie der Online-Antifeminismus zu mächtig gemacht werde: „Meiner Meinung nach ist das keine Bewegung, sondern ein kleines Netz von Männern“. Und zwar von Männern, die zum Großteil durch Scheidung in einen Hass geraten seien, der nur subjektiv-biographisch zu erklären sei. In der Studie bleibe die Opfer-Täter-Dynamik unbeleuchtet. „Männer werden erst als Opfer anerkennt, wenn sie sich als Täter inszenieren“, sagte Lenz. Diese Männer bekämen Aufmerksamkeit im Netz. Das binäre Entweder-Oder-Denken habe aber ausgedient. Die kulturelle Arbeit am männlichen Sympolischen sei wichtig; nur so können postpatriarchale Männer sich entwickeln. Lenz: „Ein Diskurs der Gleichwertigkeit beider Geschlechter steht an“.
Marc Gärtner, der sich u.a. sozialwissenschaftlich mit der Gender- und Männlichkeitsforschung beschäftigt hat und seine Dissertation über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Männer geschrieben hat, betonte als erstes: „Die allermeiste Gewalt, die Männern entgegenschlägt, ist männliche Gewalt“. Er sieht die Antifeministen als „Stammtisch, der nicht ganz so wenige Leute repräsentiert“. Auch Frauen seien unter den Sympathisanten. Er erinnerte an Eva Hermanns Buch „Das Eva-Prinzip“, dass sich sehr gut verkaufte. Geschlechterzuweisungen gäben den Menschen eine habituelle Sicherheit. Sie versprächen eine „trügerische Sicherheit, die sehr wirkungsvoll ist“, so Gärtner. „Deshalb glaube ich, dass dieser Stammtisch eine Wirkmacht besitzt“, sagte er weiter. Auch Rosenbrock betonte nochmals, dass man die Gruppe der Antifeministen, obwohl sie klein sei, nicht unterschätzen dürfe, eben weil sie öffentlich auftrete und damit eine Wirksamkeit hätte. Der tendenzielle Antifeminismus in der Mitte der Gesellschaft werde nach außen gebracht. Rosenbrock: „Sie arbeiten massiv in diese Richtung“. Das gehe soweit, dass sich Einzelpersonen im Internet nicht mehr trauten, ihre Meinung zu äußern. Das habe zur Folge, dass bestimmte Positionen aus den Medien verschwinden.
Andererseits sei die Gruppe der Antifeministen tatsächlich noch relativ klein und deshalb auch nicht zu überschätzen. „Wie ernst muss man sie nehmen, ohne sie stärker zu machen als sie sind?“, fragte Rosenbrock. Es ist eine Gradwanderung. Diskussionen darüber sind wichtig. Wie an diesem Abend an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.